In unserer Info-Mail vom 10.06.2020 geht es um unsere Enttäuschung über das unkommunikative Verhalten einzelner Führungspersonen bei uns im Bezirk. Aber lesen Sie selbst. Vieles läßt sich eben nur mit Humor ertragen.
Hallo Zehlendorf,
gestern tagte der „Ausschuss für Stadtplanung und Wirtschaft“ im Rathaus Zehlendorf.
Inhaltlich gibt es von der Sitzung leider fast nichts zu berichten. Die Sitzung wirkte auf mich eher wie ein schlecht eingeübtes Schauspiel aus längst vergangen gegeglaubten, eher gruseligen Zeiten.
Gute Kommunalpolitik soll ja ermutigen, ermöglichen und ermächtigen.
Die Sitzung gestern war geprägt vom Verhindern, Vertagen und Verweigern.
Herr Hippe, seines Zeichens Fraktionschef der bezirklichen CDU, spielte mal wieder den Mister Frust.
Von Sitzung zu Sitzung wirkt er zynischer, fährt den Ausschussmitgliedern über den Mund. Sein Verhalten grenzt inzwischen an Menschenverachtung. Wie lange noch lassen sich die Auschussmitglieder, egal welcher Partei, von diesem Verhinderer als Sitzungsleiter demütigen?
Ein wichtiger Tagesordnungspunkt gestern war ein lange erwarteter „Sachstandsbericht Potentialanalyse Goerzallee“. Herr Uwe Luipold, von Regioconsult, hatte einen Folienvortrag dazu vorberteitet und mitgebracht. Aber der Beamer funktionierte auch nach mehreren Versuchen mit verschiedenen Laptops nicht.
Fast ein Sinnbild vom Gesamtzustand des Rathauses. Man bekommt immer mehr den Eindruck, es wäre einfacher, das Rathaus gleich ganz abzureissen, die gesamte Verwaltung übergangsweise in eine Art Corona-Zelt- oder Messe-Notcamp arbeiten zu lassen und paralle dazu das Areal komplett neu zu planen und zu bebauen. So musste Herr Luipold seinen Vortrag in freier Rede ohne Graphiken und Bilder improvisieren. Eine echte Aussprache über die umfangreichen Analysen und Umfrageergebenisse und die daraus abgeleiteten Szenarien war nicht möglich, zumal keinem der Verordneten die Folien in elektronischer Form vor der Sitzung zugestellt wurde. So wurde die Aussprache über eines der wichtigsten Entwicklungsgebiete für Gewerbe im Bezirk vertagt. Traurig.
Wie dieser Tagesordnungspunkt, so wurden auch fast alle weiteren der gestern zwölf zur Abstimmung stehenden Anträge nach einigem Hickhack zwischen den Fraktionen vertagt.
Als Beobachter bekommt man den Eindruck, die meisten Verordneten haben sich vom Frust-Virus bereits anstecken lassen, wirken innerlich abgemeldet, haben keine Lust mehr auf aktive Kommunalpolitik und hoffen nur, dass das keiner merkt.
Frau Richter Kotowski, ihres Zeichens Bezirksbürgermeisterin, spielte gestern, wie häufiger in letzter Zeit, neben dem Sitzungsleiter die Rolle von Missis Frusti.
Kein Wunder. Ihr will einfach nichts gelingen. Klar, ihr fehlt überall Personal, geschweige denn nutzbare Räume. Viele im Amt fühlen sich überfordert. Zudem fehlen an allen Ecken und Enden wichtige technischen und organisatorischen Voraussetzung für die seit Jahren angekündigte Digitalisierung. Aber sie ist seit vielen Jahren im Amt in führender Position tätig und hat all die Untätigkeit über Jahre in weiten Teilen mehr als mit zu verantworten.
Wäre Steglitz-Zehlendorf eine eigenständige Kommune, hätte man schon längst den Notstand ausrufen müssen und die Landesebene gebeten, kommissarsich den Laden zu übernehmen.
Missis Frusti scheint sich trotz alledem auch noch im letzten Jahr ihrer Amtszeit am Prinzip „Weiter so“ festklammern zu wollen. Dazu passt, dass sie sich nicht einmal mehr die Zeit nimmt, um sich auf Sitzungen ordentlich vorzubereiten.
Der BVV-Beschluss 1053/V vom Mai 2020 zur Drucksache 1607/V „Konzept zur Entwicklung von Zehlendorf-Mitte jetzt erstellen“ (im Wortlaut über diesen Link nachlesbar) endet mit dem eindeutigen Satz: Über den jeweils aktuellen Sachstand soll das Bezirksamt regelmäßig dem Ausschuss für Stadtplanung und Wirtschaft zweimal jährlich – im Juni und im Dezember – berichten.
Aber wieder besseren Wissens, hat Missis Frusti dem Ausschuss gestern diesen Bericht verweigert.
Dem Bezirksamt liegen umfangreiche Materialien vor (eine aktualisierte Fassung der Machbarkeitsstudie, Pläne und Ausschreibungsvorbereitungen rund um den Rathaus-Abriss-Neubau-Umbau, viele weitere bereits angedachte/geplante/in Umsetzung befindliche Vorhaben/Maßnahmen/Events baulicher und kultureller Art). Und wir als Bürgerinnen und Bürger würden schon gern mehr als ein Jahr nach dem Start des Einwohnerantrages endlich erfahren, wie der aktuelle Sachstand zu den verschiedenen Punkten ist, wie das Stadtentwicklungskonzept denn nun weiterentwickelt wird und wann wir als Bürgerinnen und Bürger endlich aktiv in die Stadtentwicklung einbezogen werden.
So geduldete ich mich gestern mit anderen im Zuhörerraum des Bürgersaals bis zum Ende der Sitzung, wo kurz vor „Verschiedenes“ bekanntlich der Tagesordnungspunkt „Bericht aus dem Bezirksamt“ aufgrufen wird.
Ich hoffte, da wird dann der aktuelle Sachstandbericht vorgestellt und anschließend ein Link fürs Protokol bekannt gegeben, über den alle den Bericht dann online nachlesen können.
Meist übernimmt Frau Lappe in dem Ausschuß den Punkt „Bericht aus dem Bezirksamt“. Sie ist Leiterin der Stadtentwicklungsabteilung und war gestern neben Herrn Luipold eine der wenigen, die mit sachlich-informativen Einwürfen die eher depressive Sitzung zumindest kurzzeitig aufhellte.
So berichtete Sie auch gestern am Ende der Sitzung in kurzer Folge über knapp 10 Bauvorhaben im Bezirk, von ersten vorliegenden Entwürfen der neuen evangelischen Schule an der Ludwigsfelder Straße bis zu Entwürfen zur Planung eines neuen Kunstpavillion an der Clayallee, Ecke Hüttenweg.
Schade nur, dass auch all diese Informationen den Verordneten und der Öffentlichkeit nicht bereits vor der Sitzung digital abrufbar vorlagen. Wie soll man über einen Plan, der 40 Meter entfernt im großen Bürgersaal kurz hochgehalten wird, auf der Sitzung konstruktiv politisch beraten?
Was in der gestern vorgetragenen Liste vom „Bericht aus dem Bezirksamt“ fehlte, war der erwartete Bericht über den Sachstand zur Konzeptentwicklung Zehlendorf Mitte.
Dass dieser Bericht fehlte, lag nicht an Frau Lappe. Missis Frusti hatte ihr im Vorfeld das nicht aufgetragen. Ihr als Bezirksbürgermeisterin ist dieses Vorhaben einfach nicht mehr wichtig genug. Ihr scheint auch der BVV-Beschluss egal zu sein. Nennt man das Rechtsbruch im Amt?
Selbst auf mehrfache Nachfrage gestern von Verordneten, ob das Bezirksamt denn wenigsten bis Ende Juni (Antragsversuch der Grünen) oder doch bitte, bitte, bis zur nächsten Ausschussitzung im September (Antragsversuch der FDP) den Bericht schriftlich nachreicht, reagierte sie schmallippig und schnippisch nur mit dem Satz: „Es gibt keinen aktuellen Sachstand“. Basta.
Mein Fazit von gestern ist: Noch eine Legislaturperiode mit Mister Frust und Missis Frusti kann keiner wollen. Leider hat dieser Frusti-Virus bereits fast alle Bezirksverordneten infiziert und es ist mit langjährigen Spätfolgen, zumindest bei den Betroffenen, zu rechnen.
Leute, es gibt so viele mutige, gut informierte, politisch interessierte und kommunikative Menschen in unserem Bezirk. Wir haben im Bezirk eine der größten Unis Deutschland und viele Professorinnen und Wissenschaftler leben in unserem Bezirk. In unserem Bezirk wohnen so viele Menschen, die politisch, wirtschafltlich, in Gemeinwohlbetrieben oder NGOs auf Landes-, Bundes- und internationaler Ebene aktiv sind. Wie kann es sein, dass wir es uns erlauben das Kernstück der Demokratie, die Kommunalpolitik, diesen Frustis zu überlassen?
Auch wenn die Neuwahlen in Berlin, auf Landesebene und auf kommunaler Ebene, für Otto-Normalwähler „erst“ im nächsten Herbst anstehen, so beginnen die Vorbereitungen im politischen Betrieb bereits heute, spätestens im Herbst diesen Jahres.
Ich kann nur hoffen, dass einerseits alle Parteien im Bezirk ab sofort damit beginnen, um gute Leute für eine attraktive Kommunalpolitik zu werben, und andererseits möglichst viele Bürgerinnen und Bürger mehr als nur ihr Herz für die Kommunalpolitik wiederentdecken, für eine Kommunalpolitik, in der fast alle grundlegenden Dinge des Lebens, auch in unserem Corona-„Landkreis Steglitz-Zehlendorf“, am Ende politisch ausgehandelt, gestaltet, umgesetzt und dann auch im besten Fall gut verwaltet werden.
Nach bald fünf Jahren zunehmender Rathaus-Depression wünsche ich mir möglichst bald Signale für einen echten Neustart in der Kommunalpolitik, auch in Steglitz-Zehlendorf.
In den kommenden zehn Jahren wird die Welt, und eben auch wir in Steglitz-Zehlendorf, vermutlich eher mehr als weniger politische und gesellschaftliche Krisen vergleichbar mit der aktuellen Corona-Krise erleben.
Da können wir keine Frustis gebrauchen, die vordringlich ans Verhindern, Vertagen und Verweigern denken.
Dafür brauchen wir Menschen, die möglichst viele zum Mitmachen ermutigen, so vielen wie möglich selbstorganisierte Projekte ermöglichen und so viele wie möglich dafür ermächtigen, die Politik in unserer Kommune aktiv mitzugestalten.
Viele Grüße
Christian Küttner